Catalog text by Claudia Slanar:
Can I have a minute?
Maybe something fell on the piano.
Wait. Yes? Never mind.
Diese wie einem Drehbuch entlehnten Sätze finden sich auf einem Schnittmuster für ein T-Shirt, das locker über einer Eisenstange hängt; eine Muster-Textcollage in Siebdruck, die beispielhaft für die künstlerische Praxis von Maggessi/Morusiewicz ist. Mithilfe von Collage, Montage, Sampling eignen sie sich existierendes oder gefundenes Material – wie etwa Filme – an oder recyceln selbstgedrehte Videos, Set-Designs und Musik, um unterschiedliche Situationen zu erproben und ein Archiv affektiver Erfahrungen anzulegen. So stammen Teile der Ausstellung aus einer Performanceserie, die wormholes/Wurmlöchern als Mitteln von zeit-räumlichen Verschiebungen gewidmet ist. In diesen wormholes – exemplifiziert am weißen T-Shirt, einer Ikone der schwulen Community – könne es zur Dehnung von Zeit kommen, können flüchtige Momente Bedeutung (wieder-)erlangen, Utopien bereits in der Gegenwart gefunden werden, so die These des Duos.
Die Videoinstallationen Time Flies… und …Temporalities Crumble verdeutlichen ebenfalls dieses Prinzip der Montage. Sie umfassen auf der Bildebene Filme wie A Bigger Splash (Jack Hazan, 1973) über den Künstler David Hockney, den sowjetischen Science-Fiction-Streifen Tumannost Andromedy von Evgeniy Sherstobitov von 1967, Gay-Art Porn Filmen aus den 1970er-Jahren wie auch zeitgenössische Filme von Claire Denis und Apichatpong Weerasethakul, während auf der Tonebene ein neuer Score (komponiert und produziert von Sadie Siegel) zu hören ist. „Wir setzen uns für eine nachhaltige kollaborative künstlerische Forschungspraxis ein, die in einem zeitlichen ‚Dazwischen‘ angesiedelt ist, um angenehm-lustvolle, queere Zukünfte zu fabulieren und zu erarbeiten“, betonen Maggessi/Morusiewicz die Realisierung queerer Utopien durch ästhetische Mittel. Damit hinterfragen sie gleichzeitig den Status von Archiven und Autor*innenschaft in künstlerischer wie wissenschaftlicher Forschung. Sie verstehen Wissensproduktion als etwas, das permanent im Werden begriffen ist und Raum für Leerstellen, Zerfall und Auflösung lassen muss. Die Methode ihrer Verwendung verschiedener künstlerischer Techniken zeugt von teilweise ephemeren visuellen „Zerfalls“-Prozessen wie von einer prinzipiellen Nicht-Abgeschlossenheit der Kunstwerke sowie von einer Offenheit gegenüber mehreren möglichen Lesarten.